Der menschliche Makel

Professor Silk (Anthony Hopkins) macht in seiner Vorlesung eine unbedachte Äußerung über eine abwesende Studentin. Daraufhin wird er des Rassismus bezichtigt, obwohl er diese Studentin noch nie gesehen hat und gar nicht wissen konnte, dass sie Afroamerikanerin ist.

Coleman Silk verliert den Job und seine Frau stirbt, nachdem sie das erfährt. Coleman bleibt nur Wut und Enttäuschung über seine Kollegen, die ihm in den Rücken gefallen sind. Nach dem Verlust seiner Lebensinhalte findet Coleman im Schriftsteller Nathan Zuckerman (Gary Sinise) einen neuen Freund. Nathan ist selbst ein gebrochener Mann, der sich vor dem Leben verkriecht.

Dann lernt er Faunia Farley (Nicole Kidman) kennen und verliebt sich in die junge Frau. Faunia schleppt ebenfalls eine Menge Altlasten mit sich herum. Sie hat ihre Kinder bei einem Brand verloren und ihr Exmann (Ed Harris) bedroht sie immer wieder.

Diese Anhäufung von schicksalsgeprüften Menschen lässt keinen guten Ausgang der Geschichte vorausahnen.

Coleman ist als Literaturprofessor Experte für tragische Wendungen. Er unterrichtet die Prinzipien der griechischen Tragödie. Vor kurzem war für ihn Peripetie nur ein dramaturgischer Fachbegriff, der den unerwarteten Wandel von Gut in Böse, von Wahr in Falsch usw. definiert. Nun wird er selbst zum Spielball der Ereignisse. Und die sind nicht gerade arm an Plot Points, wie wir heute zu dem sagen, was die alten Griechen einst Peripetie nannten.

Es ist Colemans Geschichte, aber nicht nur seine. Der Film erzählt auch die Geschichten von Nathan, Faunia und von ihrem Exmann.

Dazu bringt der Film noch die entlarvende Gegenüberstellung der genüsslichen Medienhatz auf Bill Clinton in der Lewinski-Affäre zu der scheinheiligen, ganz und gar nicht korrekten Political Correctness von Colemans Kollegen.

So ist das mit Romanverfilmungen. Was auf 400 Seiten im Bucheinband Platz findet, kann in 100 Minuten Film nicht untergebracht werden.

Je weiter sich der Film von der Buchvorlage befreit, um den Regeln des eigenen Mediums zu entsprechen, desto besser wird das Ergebnis ausfallen. Ohne den Bestseller von Philip Roth gelesen zu haben, kann man zuverlässig behaupten: Der 71jährige Robert Benton und sein Autor Nicholas Meyer machen genau das Gegenteil. Und das ist gut so!

Wo andere Filme enden, weil die Geschichte des Helden vorbei ist, setzt Nathan als Erzähler eine neue Geschichte fort und erklärt, was nur im Roman zu erklären ist.

Nur die Fülle der Plots und die verschachtelte „Geschichte in der Geschichte“-Struktur kann den Kern transportieren:

Jeder lehnt sich gegen das Unabwendbare auf seine Art auf; jeder trägt die Schuld und die problematischen Entscheidungen der Vergangenheit mit sich und beeinflusst damit seine und die Gegenwart der anderen.

Und wer es nicht verträgt, dass uns der Film zwangsläufig viel von der Tiefe eines Buches vorenthält, darf den Film als gelungene Werbung für den Roman betrachten – bei mir kommt er auf die Liste noch zu lesender Bücher.