Der Tod eines Bürokraten

Franzisco Perez wird zu Grabe getragen. Als Anerkennung für seine Verdienste als Arbeiter geben ihm die Genossen sein Arbeitsbuch mit in den Sarg.

Mit dieser Geste der Verehrung nimmt das Verhängnis seinen Lauf. Die Witwe (Silvia Planas) kann nur unter Vorlage des mit beerdigten Arbeitsbuches die Pension beantragen, so wollen es die Vorschriften.

Der Sarg mit dem Arbeitsbuch muss also wieder aus dem Grab geholt werden. Für Exhumierungen aller Art bestehen ebenfalls genaue Vorschriften. Das Gesundheitsamt kann z.B. Exhumierungen veranlassen, oder zwecks Überführung des Leichnams darf eine solche durchgeführt werden – allerdings erst frühestens zwei Jahre nach der Beerdigung.

Ausgerechnet für den konkreten Fall, den Sarg zwei Tage nach dem Begräbnis wegen eines Arbeitsbuches kurz zu öffnen, existieren weder Präzedenzfälle noch Paragraphen. Da ist nichts zu machen.

Der Neffe des Verstorbenen (Salvador Wood) sieht in einer nächtlichen Privat-Exhumierung mit Hilfe von Friedhofsarbeitern den einzigen Weg, um seiner Tante zu helfen. Doch diese Überschreitung unbrauchbarer Vorschriften führt in der unbarmherzigen Logik einer Tragödie zum absoluten Fiasko. Mit unglaublichem Einfallsreichtum steigert Tomás Gutiérrez Alea die Satire ins Groteske.

Die Satire auf die Bürokratie hat 40 Jahre nach ihrem Entstehen nichts an Gültigkeit verloren. Der Methode Satire haftet grundsätzlich immer etwas Subversives an. Dass Tomás Gutiérrez Alea dieses anarchistische Element geradezu hemmungslos bis an die Spitze treibt, macht „La muerte de un burócrata“ zum treffenden Zerrbild für alle Spielarten der Bürokratie, – unabhängig von historischen, politischen oder regionalen Bedingungen.

Gleichzeitig ist der „Tod eines Bürokraten“ eine Hommage an den Film. Szenische Filmzitate sind nicht erst seit Quentin Tarantino Bestandteil der Filmkunst. Tomás Gutiérrez Alea erleichtert das spannende Suchspiel nach dem Original. Im Vorspann widmet er seinen Film einigen der ganz Großen der Filmgeschichte. Namen wie Luis Buñuel oder Laurel und Hardy tauchen da auf.

Manche zitierte Szenen wurden fast 1:1 übernommen, wie jene von Harold Lloyd, der an der berühmten Uhr hängt. René Clairs Trauergäste, die hinter dem Sarg her rennen, sind auch unschwer wiederzuerkennen. Andere Referenzen wie jene an Fellini sind nur an unverwechselbaren Requisiten dingfest zu machen.

Es ist schon eigenartig. Wir gehen ins Kino, um uns von neuen Geschichten überraschen zu lassen. Dennoch finden wir großen Gefallen daran, andere, schon gesehene Filme wiederzuerkennen.

Neben der Unterhaltung, die der einzelne Film bietet, gibt es auch eine kollektive Tradition der Filmkunst, in der wir uns zu Hause fühlen können. Und „La muerte de un burócrata“ ist selbst ein fester Teil jener Filmwelt, die über den Augenblick hinaus Bestand hat.