Der Film betrachtet das Leben der Menschen diesseits und jenseits der deutsch-polnischen Grenze. Die Oder trennt hier zwei Welten. Aber die politische und ökonomische Situation verbindet über nationale und soziale Grenzen hinweg zu einem gemeinsamen Land der zerbrochenen Träume und der unerfüllbaren Hoffnungen.
Alle streben auf ihre Weise nach dem Glück: Die Flüchtlinge aus der Ukraine, die unbedingt nach Deutschland wollen; der junge Architekt, der bei einem deutsch-polnischen Joint Venture nach Jahren eine polnische Freundin wiedersieht; der Taxifahrer, der dringend das Geld für das Kommunionskleid der Tochter auftreiben muss; der Kleinunternehmer, der mit allen Mitteln versucht, seinen Laden vor dem sicheren Untergang retten; der reiche Bauherr, die jugendlichen Zigarettenschmuggler und die Russisch-Dolmetscherin.
Im Westen leben die reichen Unternehmer, aus dem Osten kommen die Wirtschaftsflüchtlinge. Hans-Christian Schmid lässt mit seinem Film gängige Klischees über den postkommunistischen Osten und den „goldenen Westen“ rasch verblassen.
Verzweiflung, Liebe, Eifersucht aber auch Mitleid sind die Motive, die die Menschen hüben und drüben vorantreiben. Mit Zivilcourage, Verrat, Diebstahl, Lüge und Betrug versuchen sie ihre Ziele zu erreichen oder sich zumindest über Wasser zu halten.
Schmid verknüpft das Schicksal fremder Menschen beeindruckend ungekünstelt in einem Netz aus äußeren Umständen und zufälligen Kontakten.
Die Art, wie Schmid die Auswirkung gesellschaftlicher Krisen auf das Leben der Menschen meisterhaft unaufdringlich in Szene setzt, hebt den Film in eine Reihe mit den großen Werken des Neorealismo.
Nur ein Element dieser stilistischen Tradition, nämlich den Einsatz dokumentarischer Mittel haben die Filmemacher bei der Kameraführung entschieden übertrieben.
Ästhetische Fragen wie die Bildsprache lassen sich nur schwer objektivieren. Doch wenn die Bilder einmal zu Schwindelgefühlen führen, dann ist das Stilmittel „wackelige Handkamera“ eine Spur zu wackelig eingesetzt. Und gelegentlich beginnen Einstellungen so eng, dass erst nach ein paar Zehntelsekunden das zentrale Bildmotiv in den Bildausschnitt „hüpft“.
Abgesehen von der stark lomografisch angehauchten, radikalen Kameraführung überzeugt der Film auf der ganzen Linie.
Hervorzuheben ist vor allem die Leistung der Schauspieler – eine außergewöhnliche Ensemble-Leistung. Jede einzelne Figur wird mit Leben erfüllt und weckt volles Mitempfinden.
Die Erlebnisse der Protagonisten sind ebenso glaubwürdig wie ihre Charaktere. Auf ihrer Suche nach dem Glück scheitern die Figuren mit der Unausweichlichkeit einer klassischen Tragödie.
Nach dem Kinobesuch zweifelt man keinen Moment daran, dass das Leben und die Menschen im Grenzland an der Oder genau so sind, wie sie in „Lichter“ miterlebt werden können. Ein berührender Film über das Leben in harten Zeiten.