Ich habe keine Angst

Ende der 70er Jahre irgendwo in Süditalien. Tagsüber leben die Kinder des Dorfes unabhängig von den Erwachsenen in ihrer eigenen Welt. Bei einem seiner Streifzüge durch die idyllische Gegend entdeckt der neunjährige Michele (Giuseppe Cristiano) in einem Erdloch einen verwahrlosten, etwa gleichaltrigen Jungen.

Nach und nach versteht Michele die ganze, schreckliche Wahrheit: Die Erwachsenen des Dorfes – Micheles Eltern eingeschlossen – sind alle an der Entführung des Kindes beteiligt. Die Situation verlangt Michele Entscheidungen ab, die die Handlungskompetenz eines Neunjährigen eigentlich bei weitem übersteigen.

„Ich habe keine Angst“ ist ein Film mit Kindern in den Hauptrollen, aber sicher kein Kinderfilm. Die anfänglich heile Welt der Kindheit wird mit der Entdeckung des Entführungsopfers rasch zerstört.

Die nachfolgende Krimihandlung bezieht ihre Spannung vornehmlich aus dem Ungleichgewicht der Gegenspieler. Auf der einen Seite das Kollektiv der Erwachsenen. Auf der anderen Seite ein kleiner, fantasievoller Junge.

Aus dieser Konstellation heraus verbreitet der Film ganz in Kontrast zu den Bildern von der romantischen Landschaft eine ziemlich bedrückende Stimmung. Diese bedrohliche Angst breitet sich umso stärker aus, je mehr die Entführer im Verlauf der Zeit die Kontrolle über die Ereignisse verlieren.

Wie die Bewohner des Weilers in die Entführung verstrickt wurden, bleibt weitgehend unklar. Das Motiv hinter der Tat war offensichtlich die Armut, die in unzähligen Details unter der ländlich-romantischen Oberfläche hervorlugt.

Die Rolle der Erwachsenen ist Nebensache. „Ich habe keine Angst“ ist die Geschichte des Kindes Michele. Gabriele Salvatores spart nicht Kind-spezifische Fragen einfach aus. Die Kamera zeigt die Welt aus der Augenhöhe des Kindes.

Mit diesen Mitteln bringt Salvatores das Drama eines unschuldigen Kindes in einer erschreckenden Erwachsenenwelt eindrucksvoll auf die Leinwand.