Buongiorno, notte

Am 16. März 1978 entführten die „Brigate Rosse“ den italienischen Politiker Aldo Moro. 55 Tage danach wurde im Kofferraum eines Wagens Aldo Moros Leiche gefunden. Der Film zeigt die Ereignisse von der Vorbereitung der Entführung bis zur Ermordung Aldo Moros. Um die politischen Hintergründe der Entführung ranken sich zahlreiche Spekulationen.

Erstmals sollte die Kommunistische Partei Italiens in die Regierung eingebunden werden. Der Kommunist Enrico Berlinguer und Aldo Moro (Democrazia Cristiana) gelten als die Architekten dieses „historischen Kompromisses“. Löste diese Versöhnung zwischen Christdemokraten und Kommunisten die Bluttat der Roten Brigaden aus?

Aldo Moro war vielen ein Dorn im Auge. Henry Kissinger nannte Moro „gefährlicher als Castro“. Der Regierungschef Andreotti lehnte mit Unterstützung der Kommunisten kategorisch alle Verhandlungen mit den Entführern ab.

In den vergangenen Jahren deckten Untersuchungen und Prozesse die Verwicklung von Geheimdiensten in den italienischen Terrorismus auf. Und die rechtsgerichtete Geheimloge P2 soll aktiv gegen die Freilassung Moros und gegen die Aufdeckung des Falls gearbeitet haben.

Es gäbe also genug politischen Stoff für einen Film. Doch Marcello Bellocchio wählte einen ganz anderen Ansatz.

Er erzählt die Geschichte aus der Perspektive der Täter. Ein Großteil der Handlung spielt sich in einer Wohnung ab. Die Entführer sind darin fast ebenso von der Außenwelt isoliert wie Aldo Moro, den sie in einem kleinen Verschlag gefangen halten.

Die Politik und die öffentliche Meinung dringen nur über Fernsehbilder in die Wohnung ein. Doch in Bellocchios Darstellung tritt die politische Dimension gegenüber dem menschlichen Drama in den Hintergrund.

Die Geschichte handelt von Individuen und davon, wie sie versuchen, ihr Handeln vor sich selbst zu rechtfertigen. Im Gespräch untereinander und in den „Verhören“ mit Aldo Moro findet dieser innere Kampf zwischen Ideologie, Angst und Gewissen statt.

Die Fernsehbilder der 70er Jahre setzt Bellocchio auch zu diesem Zweck ein. Berichte, die zeigen, dass die einfachen Menschen (die Zielgruppe der Brigate Rosse) kein Verständnis für die Entführung haben, bringen die Überzeugungen der jungen Revolutionäre ins Wanken.

Mit Traumsequenzen und einem idealtypischen Gegenspieler zur Terroristin Chiara in Person eines Arbeitskollegen erfährt der Film streckenweise eine konstruierte Verklärung.

Insgesamt sorgt Bellocchios mutiger Versuch, die von Staatsräson und politischem Fanatismus getragenen Ereignisse auf ihre menschlichen Wurzeln zurückzuführen, für ein hochinteressantes Kinoerlebnis.