Edward Bloom (Albert Finney) hat sein Leben lang abenteuerliche Lügengeschichten erzählt. Die Menschen um ihn herum akzeptieren seine Fantasiewelt. Alle lieben Edward Bloom.
Nur Will Bloom (Billy Crudup) kann die fantastischen Erzählungen seines Vaters über die Abenteuer mit Riesen, Hexen und Werwölfen nicht mehr hören.
Die fabulösen Geschichten kennt Will Bloom zur Genüge. Doch wer Ed Bloom wirklich ist, weiß er nicht. Ein Vater nach Wills Vorstellung war er jedenfalls nicht.
Jetzt, da Edward Bloom im Sterben liegt, will sein Sohn endlich den Menschen, den wahren Edward Bloom hinter der Münchhausenmaske entdecken.
Die Geschichten, die der alte Ed Bloom (Albert Finney) erzählt, dürfen die Zuschauer in Rückblenden mit dem jungen Edward (Ewan McGregor) miterleben. Tim Burton breitet dabei opulente Bilderwelten vor uns aus. Diesen Bildern kann man sich kaum entziehen. Bereitwillig lässt man sich auf die bizarren Welten, seltsamen Gestalten und märchenhaften Geschehnisse ein.
Die eine oder andere Szene aus der Zirkuswelt erinnert unwillkürlich an Filme von Federico Fellini. Tim Burtons surreale Szenerien stehen jenen Fellinis um nichts nach. Eine weitere Gemeinsamkeit der beiden liegt in ihrem Faible für skurrile Physiognomien bei der Besetzung von Nebenrollen.
Der Vergleich mit Fellini erfolgt nicht zufällig. Es braucht schon eine Benchmark wie den italienischen Meisterregisseur, um den Schwachstellen von „Big Fish“ auf die Schliche zu kommen.
Tim Burtons originelle Bildideen und eine Starbesetzung, die schauspielerisch nichts zu wünschen offen lässt – dennoch bleibt nach 125 Minuten Film das Gefühl, dass das nicht alles gewesen sein kann.
Der Unterschied liegt in der emotionalen Wirkung. Z.B. eine Vorführung von Fellinis „8 ½“ (1963) verlässt man mit Sicherheit tief berührt, ohne dass man seine Emotionen auf die Schnelle rational erklären könnte.
Das Verlassen der sogenannten Realität, das Eintauchen in eine magische Fantasiewelt fesselt bei „Big Fish“ zumindest im Augenblick ebenso stark. Doch welche Träume, Ängste oder Sehnsüchte spricht „Big Fish“ an? In der Exposition verspricht der Film einen Vater-Sohn-Konflikt. Doch die Position der Hauptfigur verändert sich im Verlauf des Films um keinen Millimeter.
Das ist weiter kein Problem. „Big Fish“ ist eben ein Plädoyer für die Fantasie. Aber der Film bricht das in der Einleitung gegebene Versprechen. Der angekündigte Konflikt zwischen Vater und Sohn wird nicht ausgetragen. Tim Burton verliert sich in der visuellen Präsentation von Ed Blooms fantastischer Welt. Das ist eine Welt der Hexen, Zwerge, Riesen und geheimnisvollen Wasserwesen. Haben diese, in der Märchenwelt beheimateten Mythen wirklich noch die Kraft, uns Antworten zu geben?
Ist das Leiden eines Sohnes unter einem zu fantasievollen Vater wirklich ein mehrheitsfähiges Programm?
Geht es nach der vorherrschenden Meinung der Filmkritik und des Publikums, wie sie sich etwa im imdb-Ranking widerspiegelt, müssen diese Fragen eindeutig mit einem Ja beantwortet werden.
Wer zu Tim Burtons Universum keinen emotionalen Zugang findet, für den wird „Big Fish“ eine glitzernde Disneyworld ohne Tiefgang bleiben. Für sich herauszufinden, wie der Film wirkt, stellt jedenfalls kein Risiko dar. Ein Besuch in Disneyland ist ja auch schön.